23. Februar 2022
Neuigkeiten, Verbundarbeit, Vermittlungskonzepte

Mit einer digitalen Partizipationsplattform das Museum verändern!

Das museum4punkt0-Team des Badischen Landesmuseums gibt uns Einblicke in die Entwicklung einer Partizipationsplattform für Museen.

Hinter den Kulissen der Teilprojekte: museum x.o
Hinter den Kulissen der Teilprojekte: museum x.o, Grafik: Stiftung Preußischer Kulturbesitz / museum4punkt0 / Julia Rhein, CC BY 4.0

Das Teilprojekt heißt „museum x.o“ – berichtet uns kurz zur Einführung, was Ihr vorhabt!

Der Name „museum x.o“ kommt eigentlich von unserem Open Space, dem „museum x“, in dem wir erkunden, wie das Museum der Zukunft aussehen könnte. Das „x“ ist dabei sehr programmatisch gemeint. Es markiert, dass wir es eben auch noch nicht wissen und es gemeinsam mit unseren Nutzer*innen herausfinden wollen. Das „museum x.o“ schließt daran an und stellt analog die Frage, wie das Digitale Museum der Zukunft aussehen könnte.

Hintergrund ist die Corona-Pandemie. Wir haben uns überlegt, wie wir mit unseren Nutzer*innen in Kontakt bleiben können, wenn die physischen Museen geschlossen sind. Zentral war vor allem die Frage: Wie können wir schnell auf solche Situationen reagieren um sie gemeinsam zu bewältigen? Also bauen wir im Projekt „museum x.o“ eine digitale Partizipationsplattform, das „Creative Museum“, mit dem wir schnell auf aktuelle Ereignisse reagieren, in Dialog mit unseren Nutzer*innen treten können und versuchen das Museumserlebnis ins Digitale zu transferieren.

Das „Creative Museum“ bedient sich dabei etablierter digitaler Partizipationsmechaniken. Das Zentrum bildet ein an Social Media Formate angelehnter Feed, der in zeitlich begrenzten Kampagnen zu bestimmten Themen bespielt werden kann. Die Nutzer*innen können eigene Beiträge erstellen, auf andere Beiträge reagieren und darüber abstimmen. Alles, was sie im „Creative Museum“ tun, hat Einfluss auf das Endergebnis, sodass am Schluss eine gemeinsam erstellte Themensammlung entsteht. Dazu kommt ein auf Vernetzung und Community Building angelegter Nutzeraccount, der es ermöglicht, anderen Nutzer*innen zu folgen, eigene Sammlungen anzulegen und Punkte zu erspielen. Beide Teile sind durch ein Gamification-Konzept verbunden, das gerade entwickelt wird und auf Interaktion und Vernetzung abzielt.

Wie setzt sich Euer Team zusammen, welche Abteilungen des Museums bindet Ihr wie in den Konzeptions- und Entwicklungsprozess ein?

Unser Team besteht im Kern aus drei Mitarbeiterinnen. Ich bin als Projektleiterin verantwortlich für die Gesamtsteuerung, also Konzeption, technische Umsetzung und die inhaltliche Entwicklung. Letztes Jahr waren zusätzlich zwei Kolleginnen als Use Case Managerinnen mit im Team. Unser Projekt ist verknüpft mit zwei Ausstellungsprojekten am Badischen Landesmuseum, den gerade laufenden „Göttinnen des Jugendstils“ und einer Ausstellung zur attischen Demokratie, die für Herbst geplant war. Die Use Case Managerinnen haben das „Creative Museum“ mit den Ausstellungsprojekten verknüpft und Inhalte dafür erstellt.

Eng eingebunden ist natürlich das Digitalteam im Haus: unser Digitalmanager, der für die digitale Gesamtstrategie zuständig ist, und unsere Datenkuratorin, die auch für IT-Sicherheit und Barrierefreiheit verantwortlich ist. Daneben gibt es enge Absprachen mit dem parallel laufenden Projekt „Creative User Empowerment“, in dem ein KI-gestütztes Assistenztool zur eigenen Kuratierung für die User*innen entwickelt wird. So ist garantiert, dass das Projekt in die digitale Strategie eingebunden ist. Gleichzeitig haben wir dadurch viel digitale Expertise mit an Board, was vor allem in der Konzeptionsphase sehr wichtig war.

Darüber hinaus sind fast alle Abteilungen eingebunden. Wir haben regelmäßige Jour Fixes, an denen Vertreter*innen aus Direktion, Kulturvermittlung, Öffentlichkeitsarbeit und Verwaltung teilnehmen und natürlich gibt es eine enge Vernetzung mit den beiden Ausstellungsteams der Use Cases, wodurch das Projekt von vornherein gut an die Museumsabläufe angebunden ist. Jetzt in der Umsetzung und der Inhaltserstellung für die erste Kampagne wird sich die Einbindung noch intensivieren, vor allem inhaltlich mit den Ausstellungsteams und dem Team der Öffentlichkeitsarbeit für die Kommunikation.

Euch geht es nicht um weniger als die Revolution des Museums, wie wollt Ihr diese erreichen, was macht Eure Museumsplattform so besonders?

Revolution ist natürlich ein sehr starkes Wort. Ich würde es vielleicht so sagen: was wir mit dem Projekt versuchen ist, zu überlegen wie das digitale Museum aussehen kann. Also wie kann man jenseits von digitalen 3D-Räumen oder 360-Grad Führungen die Essenz des Museumserlebnisses in all seinen inhaltlichen, sozialen und emotionalen Dimensionen in den digitalen Raum übertragen und es mit genuin digitalen Mitteln neu entstehen lassen?

Ein zentraler Ansatzpunkt ist dabei die Positionierung des „Creative Museums“ als Ort für Austausch und Debatte. Auf der Suche nach Debatte im Digitalen sind wir natürlich schnell bei den sozialen Medien gelandet. Das „Creative Museum“ nutzt daher bekannte social media Mechaniken für Partizipation und Interaktion, deutet sie aber für museale Zwecke um. Aus dieser Kombination – der Essenz des physischen Erlebnisses mit den Partizipationsmöglichkeiten und der Geschwindigkeit des Digitalen – kann dann das neue, genuin digitale Museum entstehen.

Interessanterweise lösen sich im Digitalen viele der in physischen Museen schon lange diskutierten Probleme auf: Partizipation, Rapid Response, das Museum als Ort für Debatte und Vielstimmigkeit, das wird im „Creative Museum“ künftig möglich sein. Im Zentrum stehen die User*innen und der User Generated Content: sie kreieren eigene Inhalte und reagieren auf die Inhalte anderer und schaffen dadurch ein gemeinsames Ergebnis, das genau abbildet, was sie interessiert und für sie relevant ist. Nicht das Museum, sondern die Nutzer*innen geben den Takt vor. Das macht das „Creative Museum“ besonders.

Könnt Ihr schon eine konkrete Beispiele nennen – welche Objekte, Themen und Fragestellungen ihr wie auf der Plattform „behandeln“ wollt? Nach welchen Auswahlkriterien geht Ihr vor?

Die Plattform ist als Framework konzipiert, das sich für alle Themen eignet. Wir haben während der Entwicklung bereits verschiedene Formate angedacht, von lustig und kreativ über sehr ernste Themen, wie zum Beispiel die Coronapandemie, bis hin zu Citizen Science Projekten. Eine Idee war ein partizipatives Sammlungsprojekt, damit die Nutzer innen ihre Objekte und Geschichten ins Museum einbringen können. Eine andere Möglichkeit wäre zum Beispiel die Karlsruher Hochschulen in einem Wettkampf gegeneinander antreten zu lassen um die Studierenden zu aktivieren.

Besonders bietet sich natürlich an, die Gegenwart auf der Plattform zu verhandeln, aus dem einfachen Grund, dass aktuelle Gegenwartsfragen die größte Relevanz für viele Menschen haben. Das Projekt hat ja seine Wurzeln in den Erfahrungen der Corona Pandemie und dem Wunsch als Museum etwas Sinnvolles zur Bewältigung solcher Situationen beitragen zu können. Das schnelle Reagieren auf aktuelle Themen ist also ein dezidiertes Ziel des „Creative Museums“: wenn es morgen Krieg in der Ukraine gäbe, oder eine neue Pandemie auf uns zukäme, wir könnten zukünftig sofort darauf reagieren und mit unseren Nutzer*innen darüber diskutieren. Das gibt der Museumsarbeit natürlich eine ganz neue Relevanz.

Als kulturhistorisches Museum können wir dazu die Geschichte und die Geschichten rund um unsere Objekte nutzen, um Gegenwartsfragen zu diskutieren und Geschichte und Gegenwart zueinander in Stellung zu bringen. Bestenfalls entstehen dadurch auch neue Perspektiven für die Zukunft. Die Rolle des Museums ist dabei eher die der Impulsgeberin. Hoffentlich übernehmen schnell die Nutzer*innen und machen das „Creative Museum“ zu ihrem eigenen Werkzeug. Dadurch werden sicherlich auch immer neue Themen aufgebracht werden, an die wir noch gar nicht gedacht haben.

Unsere Leser*innen interessiert natürlich besonders, ob und warum Ihr Ideen verworfen habt, gab es zum Beispiel unerwartete Entwicklungen? Berichtet uns von Eurem Entscheidungsprozess!

Wir hatten einen sehr dynamischen Konzeptionsprozess mit insgesamt fünf Iterationen: zunächst haben wir selbst konzeptioniert und getestet, daraus ergaben sich schon erste Anpassungen, dann hatten wir eine sehr intensive Kooperation mit Studierenden des Karlsruher Instituts für Technologie und der Warschauer Universität für Technik, die über 50 innovative Konzepte für uns entwickelt und am Ende einen Prototyp ausentwickelt haben. Es gab einen Hackathon, bei dem erste Anwendungen entwickelt wurden, die sich auf das Konzept niedergeschlagen haben und wir haben uns vor der Ausschreibung eine technische Prüfung und auch Konzeptberatung eingeholt und danach das Konzept nochmals verfeinert. Und schließlich haben wir mit unserer Agentur die fünfte Iteration erreicht, in der alle Konzepte noch einmal zugespitzt und vor allem mit einem Gamification-Konzept unterlegt worden sind. Das Konzept ist also durch viele Entwicklungsrunden, Testings und Feedbackschleifen und vor allem durch verschiedene Hände gegangen.

Natürlich gab es immer wieder Ideen, die wir verworfen haben, vor allem nach Rückmeldungen aus Testrunden. Die ersten Prototypen gingen anfänglich sehr stark in Richtung digitale Sammlungsplattform, das war uns letztendlich zu wenig. Die Studierenden haben ungefähr 50 Prototypen entwickelt, da waren sehr interessante Dinge dabei und am Schluss mussten wir uns für einen entscheiden, der ausgearbeitet wurde. Verschiedene Konzeptideen haben wir aufgrund des technischen Aufwandes oder der raschen Veränderungen während Corona wieder fallen lassen. Zu Beginn hatten wir überlegt ein Videokonferenzsystem für live Events einzubauen, oder die ganze Plattform als gather.town Welt anzulegen – das war zu der Zeit neu, hat sich aber rasch zerschlagen. Die letzte Idee, die wir verworfen haben, war die Integration eines Chatsystems. Das Verwerfen von Ideen hat meistens zu mehr Fokus und Zuspitzung geführt. Gerade sind wir an der letzten Konzeptrunde und versuchen nochmal alles wegzulassen, was wir nicht unbedingt brauchen, und uns auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Woran arbeitet Ihr selbst gerade konkret und welche sind Eure nächsten Schritte?

Jetzt gerade sind wir in der heißen Konzeptionsendphase mit unserer Agentur anschlaege.de. Wir haben intensive Wochen hinter uns in denen wir das Konzept nochmal gemeinsam entscheidend weiterentwickelt haben. Diese Woche stehen die finalen Entscheidungen an und dann geht es in die Umsetzung. Der nächste Meilenstein ist dann die Veröffentlichung des Toolkits „Transformation des Museumserlebnisses“, das wir im Zuge unserer Kooperation mit dem Cooper-Hewitt Museum in New York ins Deutsche übersetzt haben.

Parallel dazu beginnen auch die Marketingvorbereitungen für den Produktlaunch und zusätzlich natürlich die Kampagnenplanung. Wir wollen mit dem „Creative Museum“ relevante Themen in zeitlich begrenzten Kampagnen bespielen und sind gerade dabei, zu planen, wie so eine Kampagne aufgebaut sein soll, wie die Social Media Kommunikation im Haus mit eingebunden wird und wie es dramaturgisch so gestaltet ist, dass es für die Nutzer*innen interessant ist.

Schließlich geht es natürlich allmählich darum, die Inhalte für unsere erste Kampagne zu gestalten, die anlässlich der Ausstellung „Göttinnen des Jugendstils“ stattfinden soll und sich um das Thema Frauenrollen, Genderrollen und Gleichstellungsdebatten aller Art drehen wird. Das ist ein großes Experiment und wir müssen ausprobieren, wie wir unsere Inhalte so erstellen, dass sie ins Digitale passen und für möglichst Viele interessant sind.

Und zum Abschluss noch: Was ratet Ihr Kolleg*innen aus dem Kulturbereich, die ein ähnliches Projekt angehen möchten?

Das ist gar nicht so einfach. Der beste Rat ist vielleicht, einfach mutig zu sein und sich trauen aus den bekannten Museumsformaten auszubrechen. Also wirklich an den Problemen herum zu kauen, auch wenn das anstrengend ist und man manchmal gar nicht mehr weiterweiß. Und alles zu hinterfragen.

Sehr wichtig finde ich auch, sich Input und Support von außen zu holen. Das heißt von Leuten, die eben nicht in den musealen Diskursen sind, sondern die mit frischem Blick auf die Dinge schauen. Das wirkt manchmal Wunder. Bei uns waren das die Bürger*innen, aber auch die Studierenden, die ganz neue Ideen und Blickwinkel einbrachten.

Wichtig ist natürlich auch die Einbindung der Nutzer*innen selbst, denn für sie entwickeln wir ja letztlich. Also früh zu testen und in den Austausch zu gehen und das Feedback dann auch ernst zu nehmen. Damit haben wir bislang sehr gute Erfahrungen gemacht.

Fragen von Dr. Silke Krohn und Mira Hoffmann, Antworten von Christiane Lindner

Teilprojekt: museum x.o
Teilprojekt

museum x.o

Das museum4punkt0-Team des Badischen Landesmuseum entwickelt eine co-kreative Plattform, die digitale Partizipation auf Augenhöhe anbietet.

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