21. Juli 2020
Assoziierter Partner, Besucher*innen im Blick, Vermittlungskonzepte

Vom archäologischen Forschungsfeld zum digitalen Entdeckerraum

Nichts zu sehen – Caroline Flöring über den Weg, 2000 Jahre alte Geschichte sichtbar zu machen und den „digitalen Werkzeugkoffer“ von museum4punkt0.

Archäologisches Forschungsfeld am Originalschauplatz der Varusschlacht
Archäologisches Forschungsfeld am Originalschauplatz der Varusschlacht, Foto: Varusschlacht im Osnabrücker Land – Museum und Park Kalkriese / Hermann Pentermann, CC BY 4.0

Frau Flöring, Sie sind Pressesprecherin von Varusschlacht im Osnabrücker Land – Museum und Park Kalkriese. Ihr Museum ist assoziierter Partner von museum4punkt0. Was versprechen Sie sich von der Zusammenarbeit?

Für uns ist die assoziierte Partnerschaft beim Verbundprojekt museum4punkt0 eine große Chance. Wir haben die Möglichkeit, von den Erfahrungen mit digitalen Formaten – ganz unterschiedlicher Art – zu lernen. Wir haben jetzt schon Kontakt zu einzelnen PartnerInnen und bekommen echte und vor allem ehrliche Einblicke, was den Einsatz von digitalen Medien im Museum angeht. Das ist für uns enorm wichtig und bietet die Möglichkeit, den Museumsbesuch für unsere BesucherInnen neu zu denken.

Als archäologisches Museum, das ein Ereignis thematisiert, von dem fast nichts mehr zu sehen ist, bieten digitale Medien eine große Chance. Dabei von anderen zu erfahren, was funktioniert und wo sich ein bestimmter Ansatz lohnt, wird uns in den kommenden Jahren sicherlich voranbringen. Die Offenheit der Partner im Hinblick auf die Fülle an unterschiedlichen Anwendungen stattet uns als Haus, das sich gerade erst auf den Weg ins Digitale gemacht hat, mit einer Art digitalem Werkzeugkoffer aus. Wir können aus unterschiedlichen Formaten wählen und das für uns geeignete Tool entwickeln.

Archäologie digital sichtbar machen
Archäologie digital sichtbar machen – von der analogen zur digitalen Grabung, Foto: Varusschlacht im Osnabrücker Land / Hermann Pentermann, CC BY 4.0

Welche digitalen Angebote können BesucherInnen Ihres Museums bereits nutzen?

Wir haben in den Ausstellungen Monitore und Touchscreens, die sich vielfach an unsere jungen BesucherInnen wenden – als digitale Erklärstationen. Ein Beispiel sind interaktive Karten, die die Verteilung der Funde zeigen und die daraus resultierenden archäologischen Erkenntnisse erläutern. Unsere BesucherInnen können selbst wählen, was genau sie interessiert und wie weit sie in die Tiefe gehen möchten. Im Weiteren bieten wir unseren Audioguide als browserbasierte App an.

Auch in der Bildung und Vermittlung spielen digitale Medien bei uns bereits eine wachsende Rolle: Beispielsweise werden Stop-Motion-Filme entwickelt und im GrabungsCamp erstellen die Kinder und Jugendlichen ihr eigenes Ebook, das die Ergebnisse und ihre Erfahrungen enthält und das sie sich in der Schule auch wieder herunterladen können.

Caroline Flöring, Pressesprecherin Museum und Park Kalkriese
Caroline Flöring, Pressesprecherin Museum und Park Kalkriese, Foto: Varusschlacht im Osnabrücker Land / Frauke Hein, CC BY 4.0

Wie würde Ihre persönliche Visitor Journey rundum Ihr Museum und darin aussehen?

Wenn ich mich für einen Besuch eines Museums entschieden habe, ist für mich, neben einer gut aufbereiteten Informationskette zum Besuch vor Ort, die Inspiration rund um den Museumsbesuch und das Thema wichtig. Auf der Webseite finde ich dazu idealerweise kleine Videos zum Thema, aus dem Museum und zu den Angeboten. Hörtexte geben mir einen ersten Eindruck von dem, was mich vor Ort erwartet. Im Museum angekommen möchte ich informiert werden – was kann ich machen, wo muss ich hin, wieviel Zeit muss ich einplanen. Danach möchte ich Eintauchen – eintauchen in das Thema, mich einlassen auf die Ausstellung, den großen Park erkunden, den Originalschauplatz sehen.

In unserem Museum sind die Objekte einer der Höhepunkte – sie erzählen jedes für sich eine Geschichte, die sich im Verlauf des Besuchs zu einem Gesamtgefüge verbinden. Sie haben eine ungemeine Strahlkraft. Weiterer Höhepunkt sind die Entdeckungs- und Forschungsgeschichte, die mir in der Ausstellung als spannender, noch nicht abgeschlossener Krimi präsentiert werden. Der Ort als authentischer Schauplatz regt mich auch zum Nachdenken an.

Aber: wenn wir den Museumsbesuch neu denken, wünsche ich mir persönlich ein digitales Entdeckertool, das  den Fundplatz im Außenraum digital ergänzt: Funde blitzen aus dem Boden, archäologische Erkenntnisse verbildlichen sich und ich mache laufend neue Entdeckungen.

Ich verlasse das Varusschlacht-Museum und habe vieles erlebt: Ich habe Objekte gesehen – ganz analog –, die mich fasziniert haben. Ich habe einen Forschungskrimi präsentiert bekommen, mir Wissen angeeignet und im Park konnte ich mit einem digitalen Medium zum Forscher werden. Jetzt sehe ich den Ort, das Thema multidimensional – mit ganz anderen Augen.

Welche Erfahrungen und Erkenntnisse hinsichtlich des Nutzungsinteresses digitaler Museumsangebote nehmen Sie mit aus der Zeit notwendiger Einschränkungen des regulären Betriebs?

Erstens: Es gibt eine wirkliche Nachfrage. Viele BesucherInnen haben in der Zeit der Schließung den Kontakt zu uns über digitale Kanäle gesucht und unsere Angebote vielfach positiv bewertet. Zweitens: Man darf sich ruhig versuchen und Mut haben, Dinge auszuprobieren. Nicht alles muss gleich hoch professionell sein. Vielmehr geht es darum, neue digitale Angebote zu entwickeln und über diese Angebote einen Mehrwert für die BesucherInnen zu schaffen. Und Drittens: Jetzt muss man den Mut haben, den Weg weiter zu gehen. Die BesucherInnen haben die Angebote gut angenommen und insbesondere in den Sozialen Medien ist es uns gelungen, viele BesucherInnen an uns zu binden. Auf den digitalen Besuch folgte jetzt vielfach ein analoger Besuch. Außerdem haben wir den Eindruck, dass vielleicht auch ältere Besucher, die vorher nicht so digital-affin waren, jetzt einen Zugang zu dieser Welt gefunden haben. Schließlich konnten viele von ihnen nur über whatsapp oder skype mit ihren Enkelkindern in Kontakt treten.

Wo sehen Sie Möglichkeiten, Synergien mit anderen Institutionen der deutschen Museumslandschaft zu nutzen? Wo sehen Sie in diesem Zusammenhang die Chancen von museum4punkt0?

Grundsätzlich ergeben sich aus Projekten – ob analog oder digital –  immer Synergien für andere Häuser. Gerade im Digitalen sind Museen mit ihren unterschiedlichen Voraussetzungen und Ausstattungen auf Kooperationen angewiesen. Das ist auch die Chance aus dem Projekt museum4punkt0. Im Verbund kann jeder Partner von den Erfahrungen profitieren und es kommt Licht in den digitalen Dschungel mit seinen unzähligen und vor allem ja auch extrem teuren Angeboten. In diesem Zusammenhang ist nicht immer der Erfolg eines digitalen Formates entscheidend, sondern vielmehr der Praxistest – gang egal wie er ausgeht. Jede Erkenntnis ist ein weiterer Schritt in Richtung sinnvoller digitaler Museumsangebote.

Beitrag von: Caroline Flöring

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