17. März 2019
Teilen, Wissenstransfer

Digitale Vermittlung: Teamaufgabe statt schnelle Lösung

Man sollte doch heute (auch) digital vermitteln… Das ist der Wunsch vieler Museen, die bisher in der Vermittlung vor allem analog gearbeitet haben.

Symbolbild zum Thema digitale Vermittlung
Foto: via www.freepik.com

Digitale Vermittlung: große Potentiale treffen auf ebenso große Erwartungen

Digital unterstützte Lern-, Informations-, Interaktions- und Partizipationsformate bieten Museen die große Chance BesucherInnen zielgerichteter zu erreichen. Virtuelle Realität (VR) beispielsweise ermöglicht das immersive Erleben anderer Kulturen und Lebensräume sowie das Nacherleben historischer Ereignisse. Augmented Reality (AR) hingegen lässt sich nutzen, um vertiefende (Bild-)Informationen wie die Unterzeichnung eines Gemäldes oder die Flügelrückseiten eines geöffneten Altars unmittelbar im Museum sichtbar zu machen. Digitale Medien können – gut eingesetzt – die Ziele der Vermittlung unterstützen sowie unter Verwendung von Methoden wie z.B. Storytelling oder Spielelementen zu einer lebendigen Wissensbildung führen. Objekte lassen sich mit Hilfe digitaler Vermittlung kontextualisieren sowie multiperspektivisch und vor allem individuell für BesucherInnen aufbereiten.

Das so oft zitierte „Abholen der BesucherInnen von dort, wo sie sich gerade geistig und örtlich befinden“ kann nun virtuell oder im Museum selbst sehr individuell stattfinden. So ermöglichen digitale Anwendungen mitunter ziel- und lerntypengerechte Angebote im Museum sowie eine auf diese abgestimmte Vor- und Nachbereitung.

Angesichts dieser Potentiale werden große Erwartungen an die digitale Vermittlung gestellt – zum Beispiel, dass durch diese neue Zielgruppen generiert werden. Menschen, die den Museen bisher eher fernblieben oder sie zumindest nicht aus eigenem Antrieb heraus frequentierten, sollen nun dank zugeschnittener digitaler Angebote zu eigenmotivierten Besuchen angeregt werden.

Für einzelne Museen ist die digitale Vermittlung zunächst eine große Herausforderung. Zum einen sind da die nicht geringen Kosten, die die Implementierung digitaler Anwendungen mit sich bringen: Der Aufwand personeller und finanzieller Art kann enorm sein. Viele digitale Vermittlungsangebote erfordern eher mehr als weniger Personal, und zwar nicht nur im Zuge der Konzeption, sondern auch in der späteren Anwendung. Zum anderen – so mein persönlicher Eindruck –  ist den meisten Museen bewusst, dass diese ersten Entwicklungen der digitalen Vermittlung Teil der digitalen Transformation und somit Teil der digitalen Strategie der Institution sein sollten. Diese zeitgemäße Anforderung kann Erwartungen erhöhen und zusätzlichen Stress bereiten, wissen doch viele Häuser gar nicht, angesichts der vielen Möglichkeiten und hohen Kosten, wo sie überhaupt sinnvoll mit digitalen Anwendungen ansetzen sollen.

Content first

Generell kann es nicht das Ziel sein, die allerneuste Technik im Museum zu haben. Vielmehr gilt es Kosten, Nutzen und Aufwand gegeneinander abzuwägen. Vor allem sollte man nicht selbstverständlich davon ausgehen, mit neuen Medien neue Gruppen von BesucherInnen in die Museen zu locken. Vielleicht wirkt der Reiz der Neuheit noch jetzt, doch bald werden Virtual Reality und Augmented Reality so alltäglich sein, dass langfristig wirksame Strategien entwickelt werden müssen. Jüngere Generationen kennen ein Leben ohne Smartphone, Tablet und den damit verbundenen Anwendungen gar nicht, und die sogenannten Best Ager besitzen mehr und mehr eigene Geräte.

In der Vermittlung können die digitalen Möglichkeiten zur Kommunikation, Interaktion und Partizipation eine gute Ergänzung sein. Es muss nur eben genau überlegt werden, ob und wenn welche digitale Anwendung für welchen Vermittlungszweck und für welches Publikum sinnvoll ist. Technik als Selbstzweck wird langfristig nicht reichen. Daher sollte nicht von der Technik aus gedacht werden, sondern von den Inhalten. Am Anfang steht daher die Frage: Was möchte ich an wen vermitteln? Für welche Art der Vermittlung bieten digitale Anwendungen einen echten Mehrwert und welcher könnte das konkret sein? Welche Inhalte bzw. Themen lassen sich mit digitalen Angeboten besser vermitteln als mit analogen? Das sind Fragen geben einen ersten Hinweis, wo die Reise hingehen könnte. In der eigentlichen Konzeption einer konkreten Anwendung ist selbstverständlich eine noch viel differenziertere Betrachtung von Zielgruppen, Vermittlungszielen und Rahmenbedingungen von Nöten.  

Sollten stets im Fokus jedes Konzepts stehen: die BesucherInnen

Dafür bietet sich eine Bestandsaufnahme als ein vorbereitender Schritt an. Diese muss je nach Institutionsgröße nicht zwingend eine großangelegte Evaluierung sein – oft liegen ausgewertete Daten bereits vor. Eine solche Bestandsaufnahme hilft, um zu erfahren bzw. noch einmal für alle an der Entwicklung Beteiligten zu verdeutlichen: Wer sind unsere BesucherInnen? Kommunizieren sie mit uns? Wenn ja, welche Gruppe über welche Kanäle? Welche der bisher von uns bereitgestellten Informationstools nutzen sie wie, welche nutzen sie nicht? Welches Publikum erreichen wir schon, welches wollen wir zusätzlich erreichen? Eine gezielte Forschung zu den Erwartungen und Bedürfnissen der BesucherInnen könnte gegebenenfalls nützlich sein. Auf alle Fälle sollten diese später in den Entwicklungsprozess eingebunden werden.

Um eine tatsächliche Auseinandersetzung mit den Originalen zu erreichen, bedarf es durchdachter Konzepte. Zunächst sollte geklärt werden, was eigentlich vermittelt werden soll, welche inhaltlichen Aspekte näher beleuchtet werden sollen und wie das geschehen kann. Ist dies einmal geklärt, kann eine grundsätzliche Überlegung sein, ob eine digitale Anwendung das Objekt ergänzt, zu diesem hinführt oder eher von diesem ablenkt.

Die Frage nach dem „Wie?“ sollte eben keine Frage nach der reinen Technik sein. Vielmehr geht es dabei auch um Methoden wie Storytelling oder Gameelemente. Auch eine analoge und digitale Vermittlung schließen einander nicht aus, sondern können auf sehr einfache Art miteinander ergänzt werden. Zum Beispiel kann von BesucherInnen Gestaltetes per Augmented Reality animiert werden.

Vermittlung geht alle an

Die digitalen Vermittlungsmodule sollten von Anfang an in die Ausstellungskonzeption mit einbezogen werden. Daraus ergibt sich, dass KuratorInnen und VermittlerInnen eng zusammenarbeiten sollten. Doch nicht nur sie, digitale Anwendungen wie Virtual Reality betreffen die gesamte Infrastruktur eines Museums und somit viele weitere MitarbeiterInnen: Von den ArchivarInnen, die geeignete Dateien und Metadaten zur Verfügung stellen, über die MitarbeiterInnen, die die Social Media-Kanäle betreuen, bis zu den Aufsichten und den Kassenkräften, die die digitalen Anwendungen betreuen und erklären.

Daher bietet es sich an, schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt MitarbeiterInnen aus den verschiedenen Abteilungen in die Konzeption einzubeziehen, um gemeinsam mit EntwicklerInnen und DesignerInnen in Co-Creation-Prozessen die Anwendung umzusetzen. Dabei ist es ratsam, in iterativen Stufen zu arbeiten und Prototypen regelmäßig bereits im Ausstellungsbetrieb zu testen, um diese optimal auf die Bedürfnisse der BesucherInnen abzustimmen.

Natürlich sehen die wenigsten Stellenpläne von Museen solche Aufgaben vor. Das oben skizzierte Vorgehen bedeutet auch nicht, dass alle MitarbeiterInnen, die die neue Anwendung betrifft, ständig zusammenarbeiten und mitbestimmen sollen. Vielmehr geht es um eine rechtzeitige Einbeziehung aller sowie der klaren Verteilung von Rollen und Zuständigkeiten. Wenn das gelingt, ist im besten Fall ein reibungsarmer Ablauf nach Inbetriebnahme der Anwendung zu erwarten, da gerade auch MitarbeiterInnen, die später direkt mit den Anwendungen und den BesucherInnen zu tun haben, von Beginn involviert werden. Denn wie Gespräche mit FachkollegInnen aus Museen außerhalb des Verbundes zeigen, kommt es vor, dass Kassenkräfte digitale Anwendungen eher verschweigen als sie anzubieten, weil sie keine ausreichende Einführung in die Technik erhalten haben oder sich die Handhabung noch nicht in ihre Arbeitsabläufe integriert hat. Das zeigt, dass digitale Anwendungen konzeptionell noch so gut durchdacht sein können: Sofern sie sich im Ausstellungsalltag nicht bewähren, ist das digitale Experiment frühzeitig gescheitert.

Die Alltagstauglichkeit ist ohne zusätzlichen Aufwand nicht herzustellen. Daher sollte im Vorfeld genau bedacht werden, welche konkreten Aufgaben sich aus dem Betrieb einer digitalen Anwendung ergeben und wie diese bewältigt werden können: Wie lässt sich zum Beispiel bei einer VR-Station das möglicherweise notwendige Anmeldeverfahren organisieren? Wird eine ständige Stationsbetreuung benötigt? Wer kümmert sich um die Reinigung, Wartung und Reparatur der Geräte? Wer ist zuständig, wenn etwas ausfällt? Wer kann Änderungen der Inhalte vornehmen? Müssen Schulungen angeboten oder neues Personal eingestellt werden? Zugleich sollte in dem oben beschriebenen Entwicklungsprozess auf die Erfahrungen der MitarbeiterInnen zurückgegriffen werden, denn sie haben täglich mit den BesucherInnen und ihren Bedürfnissen zu tun. Ein solcher Einbezug der entsprechenden Akteure und die damit verbundene Anerkennung ihres Know-How wird sich wahrscheinlich positiv auf den Arbeitsalltag mit den digitalen Anwendungen auswirken.

Grundsätzlich können die infrastrukturellen Rahmenbedingungen und die inhaltliche Konzeption nicht getrennt voneinander betrachtet werden: Wenn zum Beispiel eine zu betreuende Station nicht von allen BesucherInnen genutzt werden kann, so sollten dort keine zum gesamten Verständnis der Ausstellung zwingend notwenigen Informationen vermittelt werden. Eine frühzeitige Einbindung der digitalen Anwendung in die verschiedenen Gewerke und Infrastrukturen kann entscheidend, dazu beitragen, dass das neue digitale Angebot wirklich genutzt wird und einen echten Mehrwert zum Museumsbesuch bietet.

Beitrag von: Dr. Silke Krohn

Symbolbild via Freepik.com.

Teilprojekt: Zentrale wissenschaftliche Projektsteuerung
Teilprojekt

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