Entdeckertool für das Gelände der Varusschlacht

Eine Frau steht mit einem Handy im Museumspark.
Frau mit der Entdecker-App auf dem Endgerät, Foto: Varusschlacht im Osnabrücker Land, CC BY 4.0

Überblick

Bäume, Sträucher, Wiese – ansonsten nichts! Oder doch? Ein Klick und aus deinem Handy wird ein Entdeckertool mit allem was du brauchst, um Funde zu entdecken und herauszufinden was hier vor 2000 Jahren geschah. Denn 9 n. Chr. ereignete sich hier eine der berühmtesten römischen Schlachten – die Varusschlacht. Komm mit und mache dich mit der VAP-App im Park auf die Suche nach der Archäologie der Varusschlacht. Wo wurde die Maske entdeckt? Was hat man sonst noch gefunden? Wo wurde schon gegraben? Geh einfach los oder wähle eine Tour. Und dann lass dich überraschen. Entdecke Funde, triff Experten, erwecke den Legionär zum Leben und bringe die Funde zum Schweben. Wie steht dir eigentlich die Maske und wo lebten damals die Germanen. Jede Menge Wissen, sechs Touren, 12 Spiele, viele Überraschungen – da ist für jeden was dabei.

Ziel der App ist es, ein Vermittlungstool zu bieten, dass den Nutzer*innen das selbstständige Erkunden des 10 Hektar großen Museumsparks ermöglicht. Seit mehr als 30 Jahren finden im Museumspark archäologische Ausgrabungen zur Varusschlacht statt, deren Ergebnisse, Befunde und Funde in der Dauerausstellung präsentiert werden. In der Landschaft selbst – dem historischen Tatort – ist hievon nach Abschluss der Ausgrabungen allerdings nichts mehr zu sehen. Anstelle der Installation unzähliger Informationstafeln wurde deshalb eine App entwickelt, die es den Besucher*innen ermöglichen soll die Forschung im Raum anhand ausgewählter Befundkontexte nachzuvollziehen und hierbei auch Fundkontexte eigenständig zu entdecken.

Bibliographische Angaben

Institution
Varusschlacht im Osnabrücker Land Museum und Park Kalkriese
Teilprojekt
Tracking the Past – Vom Forschungsfeld zum Erlebnisraum
Autor*innen
Stephanie Böcker, Claudius Brodmann
Veröffentlicht
04.07.2023
Lizenz der Publikation
CC BY 4.0
Kontakt
Stephanie Böcker
Varusschlacht im Osnabrücker Land – Museum und Park Kalkriese
05468 920437
kontakt@kalkriese-varusschlacht.de

Entwicklung

Die App navigiert die Besucher*innen anhand GPS-verbundener Points of Interest (PoI) zu den Fundstellen Verknüpft mit den PoI sind digitale Kontexträume, die sich bei Annäherung freischalten und Informationen in Form von Bildern, Texten und Videos auf verschiedenen Vertiefungsebenen zu den einzelnen Funden zur Verfügung stellen. Ergänzend dazu bietet die App unterschiedliche Spiele (teilweise als AR-Spiele) und Thementouren mit ausgewählten PoI an, die spezifische methodische Forschungsaspekte in den Mittelpunkt rücken, angefangen bei der Prospektion über die Ausgrabung hin zur Restaurierung. Einige erlebnisorientierte Überraschungsmomente runden das Aktiv-Angebot ab. Sehr Interessierten bietet sich überdies die Möglichkeit, mit Hilfe der App im Gelände Entwicklung und Fortgang Forschungsansatzes nachzuverfolgen und den Zusammenhang zwischen Fragestellung und Grabungsdesign nachzuvollziehen.

Inhaltliches Konzept

Vor 2000 Jahren fanden auf dem Gelände der Museumsparks in Kalkriese Kampfhandlungen statt. Sichtbar ist davon nach all der Zeit ungeachtet der intensiven Forschung naturgemäß nichts. Über den Grabungsarealen wächst nach kurzem wieder Gras, die Funde wandern ins Depot oder in die Ausstellung. Der Park selbst ist als deutungsoffener Assoziationsraum gestaltet, in dem nur wenige ausgewählte Eckpunkte bzw. Highlights aus mittlerweile 30-jähriger Forschung markiert sind, um nicht den Blick auf den antiken Tatort zu verstellen und um so zugleich die Assoziationsfähigkeit und Vorstellungskraft der Besucher zu stimulieren.

Dies führte bei Besucher*innen immer wieder zu Irritationen und zu dem formulierten Wunsch auch im Außengelände mehr Information zur Forschung, den bisherigen Entdeckungen, Überlegungen und Deutungen zu erhalten. An dieser Stelle setzte die App-Entwicklung an. Mit dem eigenen Handy soll sie Besucher*innen in die Lage versetzen, den 10 Hektar großen Museumspark eigenständig zu erkunden. Angesichts von mittlerweile rund 60 Grabungsarealen und rund 6000 Funden war hierfür eine Auswahl zu treffen, die inhaltlich relevante Einblicke eröffnet, den vielfältigen Bedürfnissen der Besucher*innen entspricht und sich für die Kontextualisierung in Spielen, AR-Anwendung und ähnlichem eignet.

Ausgangspunkt war eine ausführliche Zielgruppenanalyse, bei der für unser Haus fünf unterschiedliche Personas definiert wurden. Um deren Interessen gerecht zu werden, wurde die ursprünglich auf wenige beispielhafte Umsetzungen geplante Anwendung inhaltlich erweitert und 48 Kontexträume angelegt, die ausgehend von einem Fund oder Befund mehrere Vertiefungsebenen bieten. So kann jede*r Besucher*in selbst entscheiden, wie tief er*sie in die Materie einsteigen möchte. Zudem wurden mehrere Spiele entworfen, die sowohl jüngere als auch ältere Besucher*innen ansprechen sollen. Auch die Rubrik „Archäologie“ wurde ergänzt, um für die an der aktuellen Forschung interessierten Besucher*innen relevante Informationen bereitzustellen. Damit die Fülle des Angebotes überschaubar bleibt, bietet die App mehrere Zugänge, z.B. über Entdeckerfragen, thematische Parktouren oder einen Funddetektor, der direkt zum nächstgelegenen Fund leitet.

Technisches Konzept

Die App wurde in Unity programmiert. Unity ist eine Echtzeit-Entwicklungsplattform | 3D-, 2D-, VR- und AR-Engine für Desktop-, VR-/AR-, Konsolen-, Web- und mobilen Plattformen.

Als CMS Lösung wurde Strapi als Community Lösung eingesetzt, ein Open-Source, flexibles Headless-CMS auf Basis der Node.js Laufzeitumgebung.

Die Unity-App basiert auf folgenden Frameworks:

AR Foundation: AR Foundation ist ein Framework, das es ermöglicht, AR-Anwendungen für verschiedene Plattformen zu entwickeln. AR Foundation bietet eine einheitliche API für AR-Anwendungen, die auf ARCore und ARKit basieren.

In „Varusschlacht“ wird in folgenden Unity-Szenen AR Foundation verwendet:

  • Game 3 / Grabungscamp Game 3 ist ein mehrstufiges AR-Spiel in dem Spieler:innen unterschiedliche Aufgaben lösen müssen. Nachdem unterschiedliche POIs besucht wurden kann in einer AR-Szene ein Grabungscamp aufgebaut werden (Platzieren von Gegenständen im Raum, „Aufbau“ eines Zeltes). Im zweiten Schritt des Spieles kann ein Grabungsschnitt freigelegt werden. Dazu müssen Spieler:innen in der AR-Szene Werkzeuge via Drag&Drop auf einen markierten Bereich in einer bestimmten Reihenfolge platzieren.
  • Game 5 / Legionär „Spiel 5“ zeigt ein transparentes 3D-Modell eines Legionärs. Spieler:innen können den Legionär mit zuvor gefundenen Fundobjekten via drag&drop ausrüsten. Die Ausrüstung wird dabei an dem Legionär platziert.
  • ARFilterScene(Helmet) / Selfie mit Helm/Maske AR Foundation platziert in dieser Szene 2 3D-Modelle auf dem Kopf des Spielers. Zwischen den zwei Modellen kann gewechselt werden. Spieler:innen können Selfies mit den Modellen in deren Foto-Galerie speichern.
  • Game 7 / AR Reiter In dieser Szene wird ein 3D-Modell eines Reiters in der AR-Szene platziert und relativ zur Kamera bewegt.
  • 360_Illustrations Diese Szene zeigt einen „ARMedienContainer“, also eine, im Backend konfigurierte, Beschreibung einer 3D Szene im AR Raum. In „ARMedienContainern“ können 3D-Scans (müssen in der App vorhanden sein) oder Sprites (Bilder, welche im Backend hochgeladen werden) in einem AR Raum platziert werden. Detailierte Informationen zur Konfiguration von „ARMedienContainern“ finden sich im Handbuch.

Mapbox: Mapbox dient als Rendering-Engine für die Karte. Mapbox bietet eine einheitliche API für die Darstellung von Karten auf verschiedenen Plattformen. Und ist somit ein Zentrales UI Element der App.

Unity UI: Neben den UI-Elementen des Menüs und der Spiele wird Unity UI verwendet, um die Inhalte der Parktouren sowie der Fundobjekte anzuzeigen.

Implementierung und Inbetriebnahme

Zu den technischen Herausforderungen gehört unter anderem die GPS-Genauigkeit auf dem Gelände des Museumsparks. Durch den nahegelegenen Kalkrieser Berg wird das Signal der Satelliten zeitweise verschattet, so dass es zu größeren Ungenauigkeiten kommt.

Des Weiteren wurde ein stabiles WLAN auf dem gesamten Gelände eingerichtet, sodass ein regelmäßiges Nachladen von Daten im Verlauf des Besuchs möglich wurde. Auch die Dateigröße der App machte die Einrichtung des WLAN notwendig.

Durch den Einsatz von AR in der App kommen Smartphones in Frage, die diese Technologie eingebaut haben (ARcore + AR Kit) Herausfordernd war außerdem die Entwicklung für unterschiedliche Android Phones -Versionen. Je nach Modell ist die App nur eingeschränkt oder gar nicht nutzbar.

Eine Frau steht mit einem Tablet im Museumspark.
Eine Frau steht mit einem Tablet im Museumspark, Foto: Varusschlacht im Osnabrücker Land, Frauke Hein, CC BY 4.0

Nachnutzung und Weiterentwicklung

Aufgrund der engen Verknüpfung mit den Inhalten des Hauses ist eine direkte Nachnutzung naturgemäß nicht möglich.

Nachnutzbar sind jedoch die Form und Struktur, also die Definition von Kontexträumen, die dann mit anderen Inhalten zu füllen sind. Für inhaltlich ähnlich aufgestellte Einrichtungen lassen sich zudem die Spiele inhaltlich und strukturell übernehmen.

So können die Kontexträume grundsätzlich mit anderen Inhalten und Geolocations verknüpft werden, die AR-Anwendungen, die Spiele und in Teilen der Aufbau der App sind aber an die Bedürfnisse des Hauses angelehnt. Beispielhaft erwähnt sei hier das Spiel „Statte den Legionär aus“. Die Besucher*innen müssen einen Teil der Ausrüstung des Legionärs im Park suchen, und können ihn anschließend in AR ausrüsten. Dieses Spiel lässt sich so nicht komplett übernehmen, das Konzept selbst jedoch ist übertragbar. Somit wären vermutlich vor allem einzelne Teile des Codes für andere Einrichtungen nachnutzbar.

Das Konzept an sich lässt sich aber gut auf andere Außenräume übertragen. Hier kommen unter anderem Freilichtmuseen oder Gedenkstätten mit Außengelände in Frage.

Technisch ist die Nachnutzung ausschließlich auf Smartphones möglich, das schließt iOS und einige Android Systeme ein.

Bereitstellung der Nachnutzung

Die Quelldateien mitsamt technischer Dokumentation steht anderen Kultureinrichtungen zum Download und zur individuellen Anpassung auf GitHub zur Verfügung. Weitere Elemente der Nachnutzung finden Sie im Anhang dieser Publikation.

Besucherforschung und Usability Tests

Zu Beginn des Projektes wurden Personas und Visitor Journeys entwickelt, die den unterschiedlichen Besuchertypen der Varusschlacht entsprechen, um ein genaues Bild der Anforderungen an Inhalt und User interface zu erhalten. Da unsere Besucherstruktur hinsichtlich Alter, Kenntnisstand und Zielvorstellungen breit gefächert ist, wurde die App so entwickelt, dass sie die unterschiedlichen Besuchertypen ansprechen soll. Die auf dieser Basis ausgewählten Objekte, die entwickelten Spiele usw. wurden – ebenso wie das Interface – im Laufe der Entwicklung in verschiedenen Testings erprobt.

Dazu haben wir die App in unterschiedlichen Entwicklungsstadien sowohl im kleinen internen Team von Museum und Agentur als auch teilweise mit geladenen Testern unterschiedlicher Altersstufen vor Ort im Park getestet. Dabei wurden mittels auszufüllender Rückmeldebögen Fragen zu Aspekten wie beispielsweise intuitives Design, passende Farbauswahl für die Nutzung im Außenraum, technische Funktionalität und die ansprechende Auswahl an Informationen, Spielen und anderen Funktionen abgefragt. Die Ergebnisse dieser Tests wurden in den weiteren Entwicklungsphasen berücksichtigt.

Eine Frau steht mit einem Handy im Museumspark.
Eine Frau mit der Vapp-App im Museumspark, Foto: Varusschlacht im Osnabrücker Land, CC BY 4.0

Evaluierung

Eine ausführliche Evaluation der App ist für die Zeit nach dem Release geplant. Derzeit liegen somit noch keine Evaluationsergebnisse der fertigen App vor.

Im Zuge der Entwicklung wurden mehrere Testings durchgeführt, die sich sowohl mit den technischen als auch den konzeptionellen Aspekten befassten. Diese Ergebnisse wurden im weiteren Prozess berücksichtigt (s.o.).

Erfahrungen

Erst im Verlauf dieses Projektes wurde uns bewusst, dass im Unterschied zu Ausstellungen oder Büchern, digitale Anwendungen tatsächlich die Möglichkeit bieten, den unterschiedlichen Bedürfnissen unserer Besucher*innen in weitaus größerem Maße gerecht zu werden. Viele Inhalte können tatsächlich parallel gedacht werden. Um die Fülle, der sich daraus ergebenden Umsetzungsvarianten sinnvoll bündeln zu können, erwies sich die Zielgruppenanalyse und anschließende Definition von Personas als ungeheuer hilfreich. Im Verlauf dieses Prozesses wurde uns bewusst, dass wir in vorherigen Zielgruppenbetrachtungen den Aspekt „Motivation“ vernachlässigt haben, uns genau dieser Aspekt aber sehr wertvolle Hinweise liefert, um unser gesamtes Angebot – vom Parkplatz bis zu Ausstellungen und Gasthaus – strategisch zu durchleuchten.

Der zweite Aspekt betrifft die technische Realisierung. Hier haben wir vor lauter inhaltlicher Planung, Konzeption und Besucherorientierung die technischen Anforderungen zu lange unterschätzt, die sich vor Ort bietenden technischen Gegebenheiten – GPS-Signalqualität, WLAN-Versorgung usw. – überschätzt. Hier wäre unsere Empfehlung an andere Häuser, vor Ort zuerst die technischen Möglichkeiten gründlich zu klären und erst dann in den inhaltlichen Entwicklungsprozess zu starten.

Drittens haben wir uns zwischendrin vor lauter Begeisterung an dem Projekt zu stark hinwegtragen lassen: aus ursprünglich wurden drei geplanten Fallbeispielen wurden 48 Kontexträume, anstelle eines Spiels wurden 6 entwickelt, dazu noch AR-Elemente, Expertenvideos und einiges mehr. Dadurch hat sich die Menge der zu produzierenden Inhalte, von Texten, Fotos, Filmen bis hin zu Illustrationen, 3D-Scans derart potenziert, dass sich auf allen Ebenen die Zeitpläne entsprechend verschoben haben.

Weitere Ergebnisse im Teilprojekt

Bild zum Ergebnis: Entdeckertool für das Gelände der Varusschlacht
Digitale Vermittlungstools

Entdeckertool für das Gelände der Varusschlacht

Varusschlacht im Osnabrücker Land Museum und Park Kalkriese

Ziel der App ist es, ein Vermittlungstool zu bieten, dass den Nutzer*innen das selbstständige Erkunden des 10 Hektar großen Museumsparks ermöglicht.

Impulse & Tools für die digitale Kulturvermittlung

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