27. Juli 2022
Verbundarbeit, Wissenstransfer

Nachhaltig und erweiterbar: mit AR in die Römerzeit eintauchen

Wie lässt sich Unsichtbares sichtbar machen? Wie kann Archäologie niedrigschwellig vermittelt werden? Unsere neue Kollegin aus Ingelheim erzählt von ihrer nachhaltigen Anwendung.

Ein älterer Mann mit einer Stirnlupe und einem Skalpell arbeitet konzentriert am Kopf einer lebensgroßen Grabfigur. Ein zweiter Mann hilft ihm.
Ernst Pernicka, Direktor des Curt-Engelhorn-Zentrums Archäometrie in Mannheim, entnimmt mit einem Skalpell winzige Proben der Farbreste an den römischen Grabfiguren, um später im Labor ihre Zusammensetzung zu analysieren. Foto: Stadt Ingelheim, CC BY-SA 4.0

Seit Frühjahr 2022 arbeiten neun neue Teams im Verbund museum4punkt0 für die digitale Vermittlung. Wir haben sie zu ihren Projekten befragt, die innerhalb einer kurzen Laufzeit Prototypen entwickeln und dabei gezielt auf eine nachhaltige Nutzbarkeit angelegt sind. Dr. Isabel Kappesser vom Museum bei der Kaiserpfalz Ingelheim berichtet von Ihrer Arbeit im Projekt.

In aller Kürze: Was ist Ziel eures Teilprojekts?

Mit unserem Teilprojekt verfolgen wir eigentlich mehrere Ziele: zum einen möchten wir heute nicht mehr sichtbare Spuren von vergangenen Epochen über eine Augmented Reality wieder sichtbar und erlebbar machen – wir sprechen hier also vor allem von archäologisch fassbaren Spuren.

Zum anderen möchten wir mit unserer App explizit aus dem Museum heraustreten, d. h. bei archäologischen Funden unseres Hauses gehen wir zum originalen Fundort und erzählen dort die Geschichte der Objekte. So können sie intensiv und authentisch in ihren ursprünglichen Raumkontext eingebunden werden.

Da es sich bei der App um ein niederschwelliges Angebot innerhalb des Stadtgebietes bzw. in der freien Natur (z. B. an frequentierten Wander- und Radwegen) handelt, hoffen wir, dass wir mit unserem Storytelling auch Menschen begeistern und für die Geschichte eines Ortes sensibilisieren können, die vielleicht nicht die typischen Museumsbesucher*innen sind.

Die Projektlaufzeit ist kurz für die Entwicklung eines digitalen Vermittlungsangebots. Was hilft euch bei der Konzeption? Wovon habt ihr profitiert?

Zunächst einmal war es sehr hilfreich, als „Neulinge“ im Verbund auf die bisherigen Erfahrungen von anderen Verbundpartner*innen zurückgreifen zu können. Gerade was das Vergabesystem von großen Aufträgen an externe Dienstleister*innen angeht, hat es sehr geholfen, sich mit „alten Hasen“ auszutauschen und sich teils an dem Aufbau ihrer Ausschreibungen zu orientieren. Darüber arbeiten andere Teilprojekte ja auch in unterschiedlichster Form mit Augmented Reality in Apps. Es ist großartig, auf die hier bereits gesammelten Erfahrungen zurückgreifen zu können bzw. auf potentielle Schwierigkeiten bereits im Vorhinein hingewiesen zu werden.

Profitieren werden wir sicherlich auch von der Erfahrung des externen Dienstleisters. Hier konnten wir eine Bietgemeinschaft von zwei Firmen gewinnen, die bereits mehrfach eng Hand in Hand zusammengearbeitet haben. Die Firma „Extended Vision“ hat sich dabei auf die Software-Entwicklung spezialisiert, die Firma „Link 3D“ hingegen auf die Visualisierung vergangener Lebenswelten.

Wie begegnet ihr dem dynamischen Wandel von technischen Neuerungen und Nutzungsinteressen?

Zunächst einmal müssen wir als kleines Museum recht genau abwägen, was uns sinnvoll erscheint und was wir – auch personell – überhaupt leisten bzw. über die Erstellung hinaus weiterhin betreuen können. Digitalisieren der Digitalisierung halber funktioniert in einem so kleinen Haus wie unserem definitiv nicht.

Mit unserer App möchten wir entsprechend ein vielschichtiges und vielseitig nutzbares Angebot schaffen: Am Fundort der Grabfiguren haben wir mit dem AR-Panorama zur römischen Besiedlung Ingelheims ein niederschwelliges Angebot, das hoffentlich nicht nur von den „klassischen Museumsbesucher*innen“ genutzt wird. Es soll ein interessanter, audiovisueller Einstieg in die römische Geschichte Ingelheims sein. Möchte darüber hinaus jemand tiefer in das Thema einsteigen, so wird dies über verschiedene Vertiefungsebenen im Museum möglich sein. Hier wird – hoffentlich zeitnah zum Anschluss des Projekts – auch das AR-Panorama abrufbar sein, welches dann mit vertiefenden Ebenen weitere Informationen bereithält. „Offen, erweiterbar und mit Möglichkeiten zu nachträglichen Ergänzungen“ trifft es wohl am besten, wie wir dem dynamischen Wandel begegnen.

Inwiefern ist euer Digitalprojekt nachhaltig? Inwiefern berücksichtigt ihr die langfristige Bereitstellung und Nachnutzung im Haus? Was können andere Häuser nachnutzen?

Auch hier treffen wohl die Schlagworte „offen, erweiterbar und mit Möglichkeiten zu nachträglichen Ergänzungen oder Änderungen“ am besten zu. Wie eben schon erwähnt, wird das AR-Panorama die Basis für Vertiefungsebenen im Museum sein. Entsprechend offen wird das Content-Management-System angelegt sein, so dass die Inhalte beliebig austauschbar sind. Beispielsweise können wir so im Stadtgebiet von Ingelheim mehrere Stationen zu wichtigen, historischen Epochen der Stadt installieren. Entsprechend funktioniert es für andere Museen und Städte bzw. an jedwedem Ort ohne sichtbare Hinterlassenschaften, an dem Storytelling zu vergangenen Epochen von der Erdgeschichte bis in die Neuzeit hinein erzählt werden soll.

Wie teilt ihr euer Wissen? Wie können andere Kulturinstitutionen von euren Kompetenzen profitieren?

Außer mit dem museum4punkt0-Kolleg*innen, sind wir mit den Fachkolleg*innen der Region über verschiedene Verbände in regelmäßigem Austausch. Enge Verknüpfungen gibt es auch zum Bereich „Tourismus“ unserer städtischen Verwaltung, die bereits jetzt schon viele eigene Ideen haben, wie sie mit der von uns entwickelten App weiterarbeiten können.

Überregional können wir sicherlich noch aktiver werden, z. B. über soziale Medien. Hier fehlt uns im Museum bei der Kaiserpfalz leider aktuell das entsprechende Personal.

Habt ihr zum Schluss einen Tipp? Wie plane ich ein nachhaltiges Digitalprojekt?

Auch hier würde ich wieder auf „offen und ergänzungsfähig“ zurückgreifen. Mit dem einfachen AR-Panorama erreichen wir hoffentlich die breite Öffentlichkeit; durch zu ergänzende Vertiefungsebenen können wir aber gleichermaßen auch Informationen für interessierte Lai*innen bereitstellen, so dass die inhaltliche Basis der App auf ganz unterschiedliche Art und Weise genutzt werden kann. Durch das offene CMS-System haben wir auch die Möglichkeit, verschiedene Inhalte auszubauen und zu ergänzen, wenn wir feststellen, dass ein bestimmtes Feature zum Beispiel besonders großes Interesse bei Nutzer*innen weckt.

Fragen von Dr. Maite Kallweit, Antworten von Dr. Isabel Kappesser

Teilprojekt: AR-Panoramen – Mit dem Smartphone in die Römerzeit
Teilprojekt

AR-Panoramen – Mit dem Smartphone in die Römerzeit

Kontakt Institution Museum bei der Kaiserpfalz Ingelheim Verbundpartner seit 2022 Projektziel Mobile AR-App, die den realen Standort im Außenraum mit der entsprechenden Position im 360 Grad-Panorama verknüpft. Ergebnisse Wie können vergangene Lebenswelten anhand verborgener Bodendenkmale vermittelt werden? Wie lässt sich ein niederschwelliger Zugang zur Grabarchitektur der Römerzeit ermöglichen? Das Museum bei der Kaiserpfalz Ingelheim entwickelt […]
Teilprojekt: Zentrale wissenschaftliche Projektsteuerung
Teilprojekt

Zentrale wissenschaftliche Projektsteuerung

Das museum4punkt0-Team der Stiftung Preußischer Kulturbesitz steuert das Verbundprojekt, kommuniziert die Projektarbeit, organisiert den Erfahrungsaustausch, teilt Wissen im Rahmen öffentlicher Veranstaltungen und stellt die Projektergebnisse bereit.

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