Wellen, Codes und Kabel(salat) – Wie die Kommunikation in die Hosentasche kam

Eine Person bedient auf ein Tablet.
Sammlungsobjekte in 3D auf dem Endgerät. Präsentation auf der museum4punkt0-Werkschau, Foto: © SPK/photothek.de/Thomas Trutschel

Überblick

Die Web-App macht eine Auswahl von ausgestellten und nicht ausgestellten Objekten aller drei Häuser der MSPT online und im jeweiligen Museum für Besuchende als 3D-Modell anschaulich. Über verschiedene Kapitel können dabei je nach individuellem Interesse weiterführende Informationen zu den Objekten abgerufen werden. So kann man über die Nutzungsgeschichte der Objekte lesen, deren Erfinder*innen kennenlernen, die genaue technische Funktionsweise mittels Animationen nachvollziehen oder herausfinden, welchen Bezug das Objekt zu unserer modernen Kommunikation hat.

Bibliographische Angaben

Institution
Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz und Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Teilprojekt
(De-)Coding Culture extended. Digitale Kompetenz in kulturellen Räumen
Autor*innen
Sara Oslislo
Lizenz der Publikation
CC BY 4.0
Kontakt
Lena Katharina Streckert
Museumsstiftung Post und Telekommunikation
mfk-berlin@mspt.de

Entwicklung

Die Webseite entstand aus dem Tandemprojekt der Staatlichen Museen zu Berlin (SMB) und der Museumsstiftung Post und Telekommunikation (MSPT). Es handelt sich um die Nachnutzung und Weiterentwicklung des Web App Baukastens „display“. Dieses für Kunstmuseen entwickelte Framework wurde dabei an die Bedürfnisse eines technikhistorischen Museums angepasst werden, das die Objektspezifika berücksichtigt und aus dem Entwicklungsprozess heraus dokumentiert. Mithilfe des Web App Baukastens „display 2.0“ wurde eine Web App für die Museumsstiftung konzipiert und umgesetzt werden, die Besuchenden einen völlig neuen Zugang zu ausgewählten Sammlungsobjekten bietet und gleichzeitig vor allem für andere technikhistorische Museen einen Mehrwert zur Vermittlung ihrer technischen Objekte bieten kann.

Inhaltliches Konzept

Die Web App-Anwendung ermöglicht den Nutzer:innen mit Hilfe von 3D-Modellen und Animationen technische Sammlungs-Objekte neu zu erfahren. Gerade technische Funktionsweisen bleiben beim Besuch des Museums im Verborgenen und verhindern ein vollumfängliches Verständnis der Nutzungsgeschichte. Dadurch wird die Bedeutung der Objekte für die Geschichte der Kommunikation den Besuchenden nicht immer klar dargestellt. Mittels 3D-Modellen und Animationen kann die bloße physische Präsenz der Objekte, meist unzugänglich in der Vitrine, um die multiperspektivische Ansicht eines 3D-Modells erweitert werden. Objekte drehen, aus allen Richtungen betrachten, heranzoomen und winzige Bauteile und Details erkennen, bietet einen Mehrwert in der digitalen Vermittlung. Mittels einer Web App-Seite, die per QR-Code in den Ausstellungen oder durch einen einfachen Link aufgerufen werden kann, lassen sich die Objekte besichtigen und durch Storytelling je nach Interesse an Nutzungsgeschichte, technischer Funktionsweise oder dem Bezug zur Gegenwart erkunden. So erfahren die Besuchenden, warum Seekabel heute noch für die globale Kommunikation unverzichtbar sind und welche Meilensteine der Technikgeschichte in unserem Smartphone stecken.

Je nach Interesse lassen sich am Objekt die Kapitel „Nutzungsgeschichte“,“ technische Funktionsweise“ oder „Bezug zur Gegenwart“ auswählen. Wichtige Meilensteine der Kommunikationsgeschichte können dadurch sowohl im Museum als auch von zu Hause aus erkundet werden. So wird die Bedeutung der Objekte für die Geschichte der Kommunikation noch deutlicher. Die Objekte umfassen insgesamt sieben spannende Themenbereiche, u.a. von der Entwicklung der Telegraphie und die Bedeutung von Unterseekabeln, über die Erfindung der ersten Telefone zu Edisons Phonographen und der ersten Schallaufzeichnung.

Fünf Personen "Brainstormen" gemeinsam zur MSPT-Web App.
Workshop zu Konzept und Umsetzung der MSPT-Web App basierend auf dem Framework „display“, Foto: Johanna Geßner, CC BY 4.0

Technisches Konzept

Von Hand modellierte, aufwendige 3D-Modelle hochkomplexer technischer Exponate wie einer „Enigma“ Chiffriermaschine oder eines Klappenschranks zeigen deren Aufbau und Nutzungsgeschichte anhand detaillierter Texturen, komplexer Kameraanimationen sowie Integration weiterer Medientypen wie Video-, Ton- und Textmaterial. Für die Darstellung in der Web App wurden 3D-Modelle (glTF) von insgesamt zehn Exponaten gefertigt, die zusätzlich als hochaufgelöste Master-Dateien (FBX/OBJ) auf Sketchfab zugänglich sind. Eine Einstiegsseite in Form eines Zeitstrahls erleichtert die zeitliche Einordnung der Exponate und eine Navigation zu den individuell auswählbaren Themenbereichen, die sich vor allem auf das 19. Jahrhundert konzentrieren. In dieser Zeit wurden viele technische Entdeckungen und Erfindungen getätigt, die unsere heutige Kommunikation überhaupt erst ermöglichten. Ein Klick auf das jeweilige Objekt führt dann zu dem 3D-Modell, welches sich nach individuellem Interesse erkunden lässt. Hierbei steht es den User:innen frei, das Modell ohne Text und Medien zu erkunden, oder sich durch Klicken auf Fokuspunkte detailliert mit deren Nutzungs- und Erfindungsgeschichte, den technischen Bauteilen oder deren Einfluss auf unsere heutige Kommunikation auseinander zu setzen.

Implementierung und Inbetriebnahme

Während bei Native Apps eine Anwendungssoftware dahintersteht, die an eine bestimmte Plattform angepasst ist, laufen Web-Apps im jeweiligen Webbrowser. Eine Progressive Web-App, wie sie mit dem Framework „display 2.0“ erstellt werden kann, basiert in der Regel auf HTML, JavaScript oder CSS. Da sie von einem Webserver geladen und im Webbrowser ausgeführt wird, benötigt sie keine Installation. Webapplikationen funktionieren dafür aber auf allen Betriebssystemen und Geräten, die über einen von der Web-App unterstützten Webbrowser verfügen, also meist alle aktuellen Browser.

Mit Hilfe der Web App lassen sich anhand von Objekten aus der Sammlung der Museumsstiftung Post und Telekommunikation Meilensteine der Kommunikationsgeschichte erkunden. Das geht sowohl vor Ort in jedem der drei zur Stiftung gehörigen Museen durch an den Objektvitrinen angebrachten QR-Codes als auch mobil und außerhalb der Öffnungszeiten.

Die Web-App wird im Museum für Kommunikation Berlin ausprobiert, dabei werden analoge Objekte digital präsentiert.
Testen der Web App im Museum für Kommunikation Berlin, Foto: Sara Oslislo, CC BY 4.0

Nachnutzung und Weiterentwicklung

Neben der Nutzung durch interessierte Laien kann die Webseite auch für Forschungszwecke zur Verfügung stehen. Aufgrund ihrer Beschaffenheit als Web App ist die Inbetriebnahme simpel und Bedarf keines Downloads in App Stores o.ä. Eine Info-Page zum Projekt auf der MSPT-Webseite verlinkt direkt auf die Web App. Diese läuft unter einer eigenen Domain auf den Servern der MSPT. Zum Abrufen der Webseite ist lediglich eine stabile Internetverbindung erforderlich. Diese steht in allen Häusern der MSPT in Form eines Gäste-W-LANS zur Verfügung.

Werden neue 3D-Modelle erstellt, können diese in das Backend des Frameworks eingespeist werden, wenn gleichzeitig deren Storytelling erarbeitet und entsprechend aufbereitet wird. Um anderen Häusern die Planung und Umsetzung der 3D-Digitalisierung von technischen Objekten zu vereinfachen, Herausforderungen transparent zu machen und Kosten realistisch einzuschätzen, wurde gemeinsam mit unserem Scan-Dienstleister ein Leitfaden entwickelt (CC BY 4.0 Lizenz). Die für die MSPT-Web App notwendigen Codes sind auf GitHub verfügbar (CC BY 4.0 Lizenz). Die Master-Dateien aller im Projekt entstandenen 3D-Modelle (zehn Objekte) sowie der animierten Modelle (acht Objekte) liegen zusätzlich auf der Sketchfab-Page der Museumsstiftung Post und Telekommunikation.

Bereitstellung der Nachnutzung

Die Quelldatei mitsamt technischer Dokumentation steht anderen Kultureinrichtungen zum Download und zur individuellen Anpassung auf GitHub zur Verfügung. Weitere Elemente der Nachnutzung finden Sie im Anhang dieser Publikation.

Besucher*innenforschung und Usability Tests

Gemeinsam mit der Agentur Visitor Choice, die uns bei der Akquise von Teilnehmenden, der Vorbereitung und Durchführung von Test-Workshops sowie der Auswertung der Ergebnisse unterstützte, wurden prozessbegleitend in vier Monaten jeweils ein Workshoptermin angesetzt. In den jeweils vierstündigen Terminen konnten wir mit einer Fokusgruppe aus acht Teilnehmenden in der Alterspanne 20 – 65 Jahre die inhaltliche Konzeption, das Interface-Design und die Hauptmenü-Struktur sowie die Anforderungen an das Storytelling zu den 3D-Modellen gemeinsam erarbeiten. Durch die frühe Einbindung der Fokusgruppe in den Entstehungsprozess der Web App konnten Erwartungen und Interessen der Teilnehmenden an den Objekten und Themen der MSPT erfragt und ausgewertet werden. Diese flossen direkt in das Storytelling, die Materialrecherche sowie die Konzeption des UX-Designs wie auch Features der Web App ein. Die Teilnehmenden nahmen somit gewissermaßen eine Auftragsgeberrolle ein und konnten wichtige Prozesse in der inhaltlichen wie auch gestalterischen Konzeption entscheidend mitprägen. Die in den Workshops gewonnenen Informationen sind nicht nur für das Projekt an sich relevant, sondern auch für weitere Vermittlungsformate in den Dauerausstellungen.

Erfahrungen

Für ein schnelles Laden der 3D-Modelle sollte bei der Nutzung in den Ausstellungen eine ausreichend schnelle W-LAN-Verbindung von mind. 25 Mbit/s pro Minute bei Upload zur Verfügung stehen.

Die Web App lässt sich leicht über einen QR-Code-Scan aufrufen oder kann als Verlinkung auf Leihgeräten bereits als Schnellzugriff zur Verfügung stehen. Der Upload von Modellen sollte nicht länger als 5 Sekunden dauern. Um dies zu gewährleisten, sollte die Gesamtgröße des GLTF-Files des 3D-Objekts daher optimalerweise 50 MB nicht überschreiten.

Quellenverzeichnis

Andraschke, Udo u. Wagner, Sarah (Hg.): „Objekte im Netz. Wissenschaftliche Sammlungen im digitalen Wandel“, Band 33 der Reihe Digitale Gesellschaft, transcript Verlag, 2020.

Henkensiefken, Claus: „3D-Digitalisierung im Museum – Erläuterungen zu Scanverfahren und deren Anwendung“, Handreichung im Rahmen des museum4punkt0-Teilprojekts „Perspektiven dreidimensionaler Visualisierungen in der musealen Vermittlung“ des Deutschen Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik, 2022, CC BY-SA 4.0:
https://www.museum4punkt0.de/ergebnis/3d-digitalisierung-im-museum/

Weitere Ergebnisse im Teilprojekt

Bild zum Ergebnis: Wellen, Codes und Kabel(salat) – Wie die Kommunikation in die Hosentasche kam
Digitale Vermittlungstools

Wellen, Codes und Kabel(salat) – Wie die Kommunikation in die Hosentasche kam

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