23. Juni 2023
Verbundarbeit, Vermittlungskonzepte, Wissenstransfer

Interviews zur digitalen Kulturvermittlung

Digitale Skills, Learnings und Aha-Erlebnisse beim museum4punkt0 | finale: Tanja Praske hat als rasende Reporterin den Verbund zu ihren Projekten interviewt!

Zu sehen ist eine Grafik mit zwei Personen im Smartphone.
Grafik: Stiftung Preußische Kulturbesitz / museum4punkt0 / Julia Rhein, CC BY 4.0

Digitale Kulturvermittlung boomt, so der Eindruck, vor allem, wenn man sich die Teilprojekte von #museum4punkt0 genauer anschaut. Als „rasende Reporterin“ war die Kulturvermittlerin Tanja Praske auf der museum4punkt0-Abschlussveranstaltung unterwegs und hat 15 Verbundpartner*innen zu ihren digitalen Anwendungen interviewt und folgende Fragen gestellt.

  • Welche Learnings, Herausforderungen und Aha-Erlebnisse gab es bei der Umsetzung?
  • Welche digitalen Skills werden benötigt?
  • Warum muss die digitale Kulturvermittlung endlich raus der Nische?

All das erfahrt ihr in diesem Blog-Artikel und von einer Serie von 15 Reels, die in diesem Text verlinkt sind. Diese Videoreihe bietet viel Stoff zum Nachdenken und gibt spannende Informationen und Einsichten von Akteur*innen der digitalen Kulturvermittlung

Welche digitalen Skills sind gefragt?

Offenheit für Neues, sich Wissen aneignen und erweitern, ausprobieren, testen, verwerfen, kooperieren, weiterentwickeln und vor allem, auch mit Peergroups zusammenarbeiten, um digitale Anwendungen für die Besuchenden schon im Entstehungsprozess gemeinsam zu entwickeln – das sind die zentralen Stichworte, die in den Interviews immer wieder fallen.

Für Georg Hohmann vom Deutschen Museum sind digitale Skills grundlegend für die Umsetzung digitaler Anwendungen, hier vor allem von VR, AR und XR, aber auch darüber hinaus.

„Man muss ein klares Verständnis davon haben, wie die Dinge funktionieren.“

Man müsse eine Ahnung davon haben, so Hohmann,

  • wie Software und Lizenzmodelle funktionieren,
  • wofür man Geld bezahlt und wofür nicht, und
  • was man relativ gut und einfach umsetzen kann.

„Man muss eine klare Vorstellung davon haben, was man umsetzen möchte und eine Ahnung von dem Umfeld. Wenn man sich da blau bewegt, wird man ständig über den Tisch gezogen.“

Eine große Herausforderung sei es, immer auf dem neuesten Stand der Technik zu bleiben. Wohin die Reise geht, erfährt man aus bestimmten (Online-)Zeitschriften und Internetforen. Damit muss man sich auseinandersetzen, um für das Museum abzuwägen, was für den Vermittlungsgedanken Sinn macht und was das Haus davon umsetzen kann.

Stellenwert der digitalen Kulturvermittlung

Die Interviewpartner*innen sind sich darin einig, dass die digitale Kulturvermittlung nicht wegzudenken ist, sondern ihnen dabei hilft, das Museum spannender zu machen, was ja auch dringend notwendig ist, um Dialoggruppen zu erreichen – ggf. auch neue. Vor allem muss die digitale Kulturvermittlung endlich aus der Nische heraus und darf kein Add-on mehr sein. Es muss ganzheitlich gedacht werden.

„Es gibt kaum noch nicht-digitale Besucher. Das heißt, wir müssen anfangen, das Erlebnismuseum, die Erlebniskulturvermittlung einheitlich in einem Ganzen zu denken, was ist vor der Ausstellung, während der Ausstellung, nach der Ausstellung, was ist dann auch die Themensetzung? Wir müssen damit aufhören, in diesen Ausstellungskasten zu denken: Wir haben ein Thema, das fängt vor drei Monaten an und hört nach drei Monaten auf, wenn die Ausstellung zu Ende ist. Vielmehr sind wir als Museum dazu da, Themen umzusetzen und überhaupt zu thematisieren, auch im Internet, und zwar dauerhaft“, so Georg Hohmann.

Digitale Kulturvermittlung überwindet Raum und Zeit, ist nicht an Öffnungs- und Schließzeiten gebunden. Das Museum erweitert sich in den digitalen Raum hinein und sogar außerhalb seiner Mauern. Dafür stehen die digitalen Anwendungen, die von den Teilprojekten umgesetzt werden.

Learnings, Aha-Erlebnisse & Wünsche

Die Verbundpartner*innen entwickelten digitale Plattformen, Toolkits, Apps, VR/AR-Anwendungen, immersive Audio-Walks, 3-D-Visualisierungen und vieles mehr. Was zu welchem Zweck entwickelt wurde oder wird und welche Wünsche aus persönlicher Sicht damit verbunden sind, erfahrt ihr in den Reels.

Stiftung Deutsches Meeresmuseum – Ozeaneum

Anke Neumeister koordiniert das Teilprojekt „(Digital) Meer erleben“. Digital ist deshalb in Klammern gesetzt, weil es weniger um das Digitale um des Digitalen willen geht, sondern um die Inhalte:

„… für uns stehen in erster Linie die Inhalte im Vordergrund, die wir vermitteln wollen. Das heißt, bei uns dreht sich natürlich alles rund um das Meer, insbesondere auch um die Ostsee, also das Meer vor unserer Haustür.“

Sie stellt im Reel die App „Frag Walfred!“ vor. Diese verfügt auch über eine Feedbackfunktion. Kritik ist ausdrücklich erwünscht, denn das Ozeaneum möchte die App stetig weiterentwickeln und optimieren.

Deutsches Historisches Museum

Elisabeth Bruckschen vom Deutschen Historischen Museum gibt Einblicke in das Projekt „Herbst 89“, eine interaktive Graphic Novel, die seit Dezember 2022 in der Ausstellung „Roads Not Taken“ (voraussichtlich bis Ende 2024) in Form einer Game Station gespielt werden kann. Darüber hinaus kann sie auch zu Hause über die Website des Museums gespielt werden. Die Berliner Agentur „Playing History“ hat sie dabei unterstützt, das historische Thema spielerisch zu denken und umzusetzen. Auf der Grundlage umfangreicher Vorabtests entwickelten sie dann das Game. Unter den sieben zur Auswahl stehenden Charakteren sind die Bürgerrechtlerin Sabine und der Bereitschaftspolizist Thomas die beliebtesten.

„Das Kurt-Masur-Institut möchte die Anwendung gerne in Form einer Ausstellung ab dem 9. Oktober für mehrere Monate in Leipzig zeigen. … Für uns ist es interessant, das Spiel, weil es eben ein Spiel ist, das als Software überall hin transportiert werden kann, auch noch einmal woanders zu zeigen“.

Fasnachtsmuseum Schloss Langenstein

Michael Fuchs, Präsident des Fasnachtsmuseums Schloss Langenstein, berichtet, dass sie gerade ein komplett neues Museum nach neuesten Standards bauen und dafür ein digitales Gesamtkonzept verwirklichen. Ende des Jahres wird dies realisiert sein. Im Reel stellt er das vernetzte Museum, eine digitale Plattform, vor.

„In der Entwicklungsphase selbst haben wir natürlich auch immer wieder Testings und Besucherforschung gemacht und haben oft gesehen, dass das, was wir für optimal gehalten haben, dann doch nicht so optimal war. Also, dass doch immer auch die Besucher*innen dazugehören, um ein optimales Erlebnis zu erlangen.“

Museum Narrenschopf

Projektkoordination Vera Jovic-Burger über die VR-Brille, mit der 360-Grad-Filme zum Fastnachtsbrauchtum erlebt werden können – eines von zwei Projekten, die das Museum im Rahmen von #museum4punkt0 umgesetzt hat.

„Die Besuchenden sollen durch die VR-Brillen mitnehmen, dass die Fasnacht ein lebendiges Brauchtum ist.“

Deutsches Auswandererhaus Bremerhaven

Museumspädagogin Astrid Bormann geht auf die „Junge Digitale Sammlung“ ein – eine Web-Plattform für Schüler*innen. Diese geht im Sommer online, zuvor hat das Haus verschiedene Testungen mit Peergroups durchgeführt.

„Die Jugendlichen sind natürlich vor allem von den digitalen Formaten begeistert.“

Museum bei der Kaiserpfalz Ingelheim

Isabell Kappesser entwickelte das Digitalisierungsprojekt „Unsere Römer in Ingelheim“ – eine mobile App [Link: Museum Ingelheim (museum-ingelheim.de)], mit der die im Museum ausgestellten Funde vor Ort am Fundort visualisiert werden können.

„Unser erster Punkt war, zu prüfen, wie ist der Empfang vor Ort, wenn wir mitten im Gelände sind. Der Empfang ist hervorragend. Deshalb haben wir uns tatsächlich für eine App entschieden, die man über eine Stele vor Ort innerhalb von 20 Sekunden herunterladen kann.“

Freies Deutsches Hochstift – Frankfurter Goethe-Museum

Joshua Enslin betreut die Web-App zur Ausstellung E.T.A. Hoffmanns Frankfurt, mit der man das historische Frankfurt so erleben kann, wie es sich der Schriftsteller vorgestellt hat, ohne jemals dort gewesen zu sein.

„Die Web-App ist wahrscheinlich noch besser geeignet für Heimatmuseen und Vereine, also ganz kleine Häuser mit einem dreistelligen Jahresbudget, die jetzt über QR-Code-Stelen in der Stadt etwas Eigenes hätten und nicht nur auf der städtischen Website neben dem Formular für Heiratsanträge stehen würden. Mit der Web-App hätten sie einen eigenen geschlossenen Kontext und eine geschlossene Erzählung. Das wäre der größte Gewinn.“

Naturhistorisches Museum Mainz

Susanne Lanckowsky, wissenschaftliche Mitarbeiterin, über das Tandem-Projekt zur Vermittlung biologischer Vielfalt zusammen mit dem Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz. Die Stationen werden voraussichtlich Ende Mai in den Museen in Görlitz und Mainz aufgebaut.

„Ein Aha-Erlebnis kam über die Gestalter, sie merkten an

„Wenn es möglich sei, können auch echte Proben eingeschlossen werden“. Und das war so dieses „Ja, wir wollen echte Proben“, wir wollen Objekte, die unsere Besucher*innen im Wald selbst finden können, ins Museum bringen und digitale und analoge Elemente in dieser Station verbinden.“

Oberhessisches Museum in Gießen

Museumsleiterin Katharina Weick-Joch spricht über den immersiven Audio-Walk, der derzeit in einer 12-minütigen Testversion im Museum zu sehen ist und 2026 im Rahmen der Neukonzeption des Museums als 45-minütiger Rundgang durch das Haus realisiert werden soll.

„Was die Technik betrifft, haben wir inzwischen ein sehr gutes Feedback bekommen, so dass wir wissen, dass wir den Griff am Tablet noch einmal anders anbringen müssen, weil der Winkel teilweise nicht passt und dass wir bestimmte Dinge verbessern können. Das ist für die Weiterentwicklung extrem wertvoll.“

Historisches Museum der Pfalz in Speyer

Cathérine Biasini, Ausstellungskuratorin, stellt die Plattform Vimuki vor, die ab Herbst 2023 Schule und Museum zusammenbringen soll. Sie führten Tests mit Schulklassen durch, die zu wichtigen Erkenntnissen führten.

„Die Interaktivität [Live-Führung etc.] ist gewährleistet und das finden die Schülerinnen und Schüler natürlich toll und sehr lebendig. … Unsere Idee ist, die Mauern der Museen zu öffnen und die Inhalte noch mehr in die Gesellschaft, in die Schulen zu tragen.“

Historisches Museum Saar

Simon Matzerath über Vimuki – ein Tandem-Projekt mit dem Historischen Museum der Pfalz in Speyer.

„Für uns ist es ganz wichtig, dass das Museum präsenter wird, auch in der Jugend und umgekehrt, dass die Museen Schülerinnen und Schüler erreichen können, die räumlich weiter entfernt sind, also dass die Inhalte nicht nur im Museum vermittelt werden, sondern auch digital.“

Germanisches Nationalmuseum

Mark Fichtner, Leiter der IT-Abteilung, über das Tandem-Projekt INSIDE/OUT – eine Kooperation mit dem Deutschen Museum.

„Die größte Herausforderung war eigentlich die Zeit. Know-how, das normalerweise über Jahre aufgebaut wird, musste in sehr kurzer Zeit beschafft, aggregiert, verdichtet und dann auch direkt in eine Umsetzungsphase gegossen werden“.

Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz

Lisa Janke, Koordinatorin, über die Virtual Reality-Anwendung „Abenteuer Bodenleben“.

„Wir haben auch evaluiert, wie die Besucher*innen das VR-Erlebnis erfahren, auch welche Emotionen sie dabei haben. Und selbst wenn sie vielleicht Angstmomente hatten oder etwas gruselig fanden, war es trotzdem ein echtes Erlebnis, das sie für das Museum begeistert hat.“

Stiftung Humboldt-Forum

Norman Mähler, Leiter des Fachbereichs Digitale Strukturen und Produkte, über das Toolkit für Museumsmacher*innen: „Hallo Hybrid“, das als PDF abrufbar ist.

„Man kann nicht erwarten, dass man sofort ein Publikum von Tausenden und Abertausenden von Leuten hat, die sich beteiligen wollen, sondern es ist eine Sache, eine Community, die wachsen muss. … Die Leute sind natürlich auch immer von Thema zu Thema unterschiedlich. Das heißt, mit einem neuen Thema fängt man sozusagen immer auch mit einem neuen Publikum an.“

Beitrag von: Tanja Praske

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Das museum4punkt0-Team der Stiftung Preußischer Kulturbesitz steuert das Verbundprojekt, kommuniziert die Projektarbeit, organisiert den Erfahrungsaustausch, teilt Wissen im Rahmen öffentlicher Veranstaltungen und stellt die Projektergebnisse bereit.

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